Industrie-und Filmmuseum (Wolfen; FrauenOrt Nr. 4)
Obwohl das seit 1993 bestehende Industrie- und Filmmuseum Wolfen (ifm) wegen Umbauarbeiten in 2020 geschlossen war, konnte ich mich anlässlich des 20.FrauenOrte-Geburtstages im Juni 2020 mit Kustodin Mähl in der historischen Fabrikanlage treffen. Sie berichtet u.a. über die Museumsangebote, aber auch zur Werksgeschichte und den Arbeitsbedingungen vor 1945. Z.B. war es keine Seltenheit, dass Frauen hier am Arbeitsplatz ihre Kinder gebaren. Welcher Eintrag dann in der Geburtsurkunde stand, ist allerdings noch nicht erforscht.
Die Agfa-Werksleitung war auf Frauenhände bei der Konfektionierung und anderen Hilfstätigkeiten angewiesen. Deshalb warb sie bereits seit 1909 mit Sozialangeboten wie Wöchnerinnenheim, preisgünstigem Verkauf im werkseigenen Kaufhaus und sogar mit thüringischen Betriebsferienheimen um eine weibliche Stammbelegschaft.
Harte Arbeitsbedingungen wie Dreischichteinsatz in Dunkelräumen und bei Temperaturen um 5-6 Grad bzw. über 30 Grad Celcius schreckten Frauen bis Anfang der 1990er aber nicht ab, hier ihr eigenes Geld zu verdienen. Stichworte wie die 1941er abendfüllende Kinospielfilm-Weltpremiere von „Frauen sind doch bessere Diplomaten“ auf in Wolfen hergestelltem Filmmaterial, Muttibus, Frauensonderstudium und Zwangsarbeit von „Bordsteinschwalben“ werden dabei im Gespräch aufgegriffen. Ebenso wie die Frage, wie war es denn tatsächlich um die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu DDR-Zeiten in diesem Frauenbetrieb bestellt?
Die beiden Zeitzeuginnen, Mechanikerin Giec und Chemiearbeiterin Plohmann , erzählen dankenswerter Weise sehr offen und durchaus mit Stolz über ihre wechselvolle Arbeitsbiographie „in der Film“. Beide kehrten übrigens später wieder hierher zurück, um im ifm bei Führungen authentisch zu vermitteln, wie ein solcher Frauenbetrieb mit über 8.000 Arbeiterinnen unter einer Generaldirektorin funktionierte und Familie und Arbeit sich durchaus nicht ausschließen mussten.
Rund 10 Minuten Bonusmaterial rundet diese Episode ab- mit Aufzeichnungen während eines anschließenden Fabrik-Rundganges, bei dem wie bei anderen öffentlichen Führungen auch mal das Licht ausgeknipst wird, um die tatsächlichen Arbeitsbedingungen zu demonstrieren.
Weiterführende Hinweise: Das Industrie-und Filmmuseum Wolfen hat nach langer Corona- und Umbaupause seit Ende 2022 Jahres wieder geöffnet (Di-So 10-16 Uhr)!
Was Farbfilm, Wurstpelle und Dederon-Kittelschürzen gemeinsam haben? An dieser Station der Europäischen Route der Industriekultur gibt es die Antworten. Der Besuch der Dauerausstellung Filmherstellung ist nur im Rahmen einer Führung möglich! Diese finden um 10, 12 und 14 Uhr statt. Zu Beginn wird der Film "Film und Faser" (Dauer: 26 min) gezeigt.
Übrigens wurde hier nicht nur Filmmaterial für UFA und DEFA hergestellt, sondern es werden auch alte Filme aus der DDR-Zeit gezeigt. Veranstaltungstipps zur Rubrik "Filme wiederentdeckt" gibt es hier.
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